Montag, 17. Oktober 2016

Verladeberatung statt Verladetraining ...

... wäre doch mal eine gute Geschäftsidee. Wer im Turnierblog mit liest, weiß um welches verladeunwillige Pferd es geht (HIER nachzulesen). Das Pferd hatten wir damals gar nicht verladen, aber ich hatte mich eine Zeitlang mit der Besitzerin unterhalten, die ich von der Pferd-Hund-Messe in Dortmund kenne. Dort sind wir zusammen beim Horse-Dog-Trail-Showturnier mit geritten und sie erzählte mir, dass so oft Leute ihr beim Verladen helfen wollen und ihr dann doch das Pferd wieder in die Hand drücken, weil es nicht klappt. Vorgestern war wieder Pferd-Hund-Messe und das Pferd ging wieder nicht in den Hänger, obwohl es zuhause immer reingeht: Also der Hänger ist nicht das Problem. Probleme gab es immer nur beim Verladen für die Rückfahrt und selbst da hat die Besitzerin großartige Erfolge mit folgender Methode gehabt: Man bietet dem Pferd an, dass es in den Hänger geht. Falls es das nicht will, dann ist das kein Ding, aber man longiert das Pferd auf einer benachbarten Wiese, so dass die Pferde meist sagen: "Oh, bitte, bitte, lass mich in den Hänger gehen. Ich habe keine Lust mehr zu laufen." Auf diesem Weg war das Pferd nach 10 - 20 Minuten die letzten drei Male erfolgreich verladen worden.
Aber in der Tiefgarage der Pferd-Hund-Messe und drumherum gibt es weit und breit keinen Ort, wo man Longieren könnte (Parelli-Freunde würden es wohl auch eher Circling Game nennen). Wie schon damals in Odenthal war ich hin- und hergerissen, ob ich meine Hilfe anbieten soll und die Besitzerin war danach ebenfalls unschlüssig, ob sie die Hilfe annehmen soll, gab mir dann aber das Pferd mit den Worten in die Hand: "Also Dir gebe ich jetzt noch mal, obwohl ich das eigentlich nicht mehr mache".



1. Karabiner erst durch
seitlichen Ring führen
Auch wenn ich natürlich auch gerne Parelli-Methoden anwende, weil sie so hervorragend funktionieren, habe ich bei dem verstorbenen Marko Pohland eine Verlademethode gelernt, die sich besonders gut für Turnierplätze und enge Begebenheiten eignet. Statt Knotenhalfter nimmt man eine Führkette, die im Stallhalfter nur unterhalb des Kinns verschnallt ist (Fotos links). Dadurch wird das Rückwärtsrennen (z.B. in parkende Autos) erschwert. Die Führkette gehört (wie bei allen Verlademethoden) in erfahrene Hände, weil es - wie so oft - aufs Timing ankommt. Bei unerwünschtem Verhalten wird der Druck erhöht und bei erwünschtem Verhalten blitzschnell eingestellt. Als erwünschtes Verhalten gilt bereits, wenn das Pferd sich bemüht, so dass auch ein Schritt in die richtige Richtung mit dem so genannten "Neutral" belohnt wird. Neutral bedeutet vor allem, dass man seine eigene innere Energie herunterfährt und das ist oft gar nicht so einfach. Davon konnte die Besitzerin ein Lied singen und erzählte mir, dass sich ihr schon der Magen umdreht, wenn sie nur Sattel und Zubehör verstaut, weil sie weiß, dass es ans Verladen geht. Als ich es dann versucht habe, war ich hin- und her gerissen. Einerseits wollte ich das Pferd verladen andererseits der Besitzerin erklären, wie wichtig es ist, dass die eigene Vorstellungskraft (Gedanken wie: "Das klappt eh nicht oder dauert Stunden) einem beim Verladen nicht im Weg steht.


2. seitlicher Ring
 Pat Parelli sagt ja immer, dass man im Fall, dass etwas nicht klappt, einfach gelassen denken soll: "Es hat noch nie länger als zwei Tage gedauert...." und Hand aufs Herz: Wir werden doch schon nach zwei Stunden ungeduldig, wenn nicht schon früher. Ich habe den Spagat versucht, zeitgleich das Pferd zu verladen und zwischen Tür und Angel die Besitzerin quasi im Vorbeigehen zu unterrichten, z.B. dass ich mit dem Pferd den Deal habe: Wenn zwei Vorderfüße auf der Rampe sind, ist Ruhe. Das sieht dann zwischendrin ganz schön nach Stillstand aus, aber im Kopf des Pferdes passiert ganz, ganz viel: Es denkt und denkt und denkt (das Ergebnis sieht man, wenn man das nächste Mal verlädt) und wenn einen dann doch die Ungeduld packt, dann sollte man nach Pat Parelli einfach pfeifen, denn wer pfeift, kann nicht die Stirn runzeln. Außerdem ändert sich der Deal ja auch allmählich in "Drei Füsse auf der Rampe und dann ist Ruhe." oder "Zwei Vorderfüsse im Hänger und dann ist erstmal Ruhe." Wichtig ist nicht, dass das Pferd schnellstmöglich im Hänger ist, sondern dass es das Prinzip versteht. Hier zitiere ich immer wieder gerne Freddy Knie senior, der mal gesagt haben soll: "Jeden Tag ein Zentimeter führt auch irgendwann zum Meter." Diese Babyschritte sind vor allem dann unumgänglich, wenn das Pferd etwas völlig Neues lernen soll.
Und im Gegensatz zum vorherigen Blogbeitrag war dieses Pferd ja wirklich auf den Hänger vorbereitet und hatte in dem Sinne keine Angst vor dem Hänger, weil es zuhause ja völlig problemlos auf den Hänger geht. Also hatte ich zwei Ziele: Einerseits der Besitzerin die Sache mit der Energie, der Entschlossenheit und der Vorstellungskraft zu erklären und andererseits dem Pferd auch sagen, dass die Zeiten jetzt langsam mal vorbei sind, dass das Verladen derart zeitraubend ist. Um beide Jobs aufzuteilen wollte ich Larissa einspannen, die eigentlich immer Feuer und Flamme ist, wenn es ums Verladen geht, aber dieses Mal hat sie erstmal gekniffen à la "Mach Du." Wer sich mit Parellis Horsenalitys auskennt (HIER geht es zum Themenmonat), der kennt dieses Diskussionen mit den merkwürdigen Kürzeln. Ich sagte zu Larissa: "Ich glaube, es ist ein RBI, dem man Zeit geben muss." und sie sagte: "Nicht wirklich, weil eigentlich ist er ja ganz cool." Um das Ende schon mal teilweise vorwegzunehmen: Wir hatten beide Recht, aber das wurde uns erst im Auto auf der Rückfahrt klar und Larissa sagte dann auch im Nachhinein, dass sie zuerst deswegen nicht wollte, weil sie dieses Pferd ausgesprochen schwierig fand (wobei es als Reitpferd echt eine coole Socke ist, ist ja auch den Horse-Dog-Trail mitgegangen). Durch meinen Spagat, zwei Sachen zeitgleich machen zu wollen, war ich mit den Gedanken nicht wirklich im Hänger, sondern teilweise auch draußen und habe dies oder das erklärt, was dann auch dazu führte, dass das Pferd auch wieder nach draußen dachte.

Karabiner einhaken
Also wollte ich Larissa überreden, dass sie erklärt, was ich mache - das wollte sie schon mal gar nicht. Wäre aber schon sinnvoll gewesen, insbesondere dann, als ich nach einer Dreiviertelstunde, den Druck dann doch mal gewaltig erhöht habe, denn der "Deal" wurde irgendwie statisch und mein Bauchgefühl sagte mir, dass es der richtige Zeitpunkt dafür ist, auch mal auf pferdisch zu sagen, dass jetzt Schluß mit lustig ist. Die Besitzerin hatte mich zwar gewarnt: "Wenn man zu viel Druck macht, steigt er und von hinten reagiert er auch empfindlich." Aber ich dachte: "Ich riskiers, wenn es schief geht, kann ich es immer noch reparieren." "Druck-Machen" will gelernt sein: Wenn man auf pferdisch Druck macht, empfiehlt sich ein Klopfen im Sekundentakt hinter dem Widerrist (das wurde dem Pferd natürlich vorher am Boden beigebracht - da hatte die Besitzerin schon Vorarbeit geleistet, wobei sie vielleicht eine Idee zu sanft war). Das A & O, wenn das Klopfen nicht mehr sanft, sondern deutlich ist, ist dass man auf keinen Fall frustriert oder gar wütend sein darf, sondern man muss gelassen und zuversichtlich denken: "Du wirst darein gehen." - nicht als Befehl, sondern selbstbewusst: ruhig, aber bestimmt. Und manchmal muss es erst schlimmer werden, damit es am Ende besser werden kann.
Es kann also sein, dass das Pferd quasi sagt: "Nein, das werde ich nicht tun." und dann diskutiert es in der Tat durch Steigen oder Ähnliches, weil es ja weiß, dass spätestens dann der Druck weggenommen wird, wenn der Mensch denkt, dass Pferd mit Druck nicht umgehen kann. Aber damit umzugehen, kann ein Pferd lernen - jedes Reitpferd lernt das und lernt Druck als Kommunikationsmittel kennen, weil Druck ja nichts mit Gewalt zu tun hat: Das Klopfen hat eben eine Intensität von so-wenig-wie-möglich-aber-so-viel-wie-nötig. Ist er zu leicht, ignoriert das Pferd ihn schließlich - ist er zu stark, wird es unfair: Der Mittelweg ist der Schlüssel zum Erfolg.  Allerdings habe ich in diesem konkreten Fall eine Variante versucht, die besagt: "Je weiter weg vom Hänger, desto stärker wird der Druck und andersherum." so wie beim Ostereier-Suchen: Kalt-warm-wieder-kalt. Das kostet auch mich viel Energie und für die Besitzerin eine Menge Nerven, die dann ins Auto ging ihren Mann anrief und ihm bedrückt sagte: "Wir werden hier erst weg kommen, wenn es dunkel ist und alle weg sind." Nachdem ich das Pferd aber wieder in einer Position auf der Rampe hatte, habe ich jeglichen Druck weg genommen und nicht mehr Larissa gefragt, ob sie mich in dieser oder jener Aufgabe unterstützt, sondern so bestimmt gesagt: "Mach Du jetzt mal.", dass die Antwort lautet: "Klar, mach ich."

Ich selbst wollte mich jetzt ganz und gar der Pferdebesitzerin widmen, aber die war weg: Im Auto ... telefonieren ... siehe oben. Und dann auf einmal ... schwuppdiwupp ... stieg das Pferd in den Hänger ein, man konnte in aller Seeleruhe die Stange hinten einhängen: Das Pferd hatte sich entschieden.
Die Besitzerin kam völlig aufgelöst oder eher fassungslos aus dem Auto, umarmte uns mit Tränen in den Augen (meine wurden auch prompt feucht) und fragte uns dann noch,ob sie mehr Druck machen sollte künftig. Das Dumme ist: So pauschal kann man das nicht sagen, es ist eher so ein Ding von: Alles zu seiner Zeit, aber was wichtig ist: Fürs (Left-Brain-)Pferd muss es sich anfühlen wie: "Mein Gott, die wechseln sich ab und ich komme ja gar nicht zur Ruhe, wenn ich nicht in den Hänger gehe." und der Mensch sollte im Idealfall das Gefühl haben: "Wenn ich nicht mehr kann, gebe ich ab." Praktisch, wenn man so eine toughe Tochter hat wie ich - die Pferdebesitzerin hat aber auch so eine: Jünger als Larissa, aber mit einem guten Bauchgefühl. Der Mutter nach, ist die Tochter, diejenige, die entscheidet, wer es probieren darf mit dem Verladen des großen Schwarzen.
Das dauert nicht lange, dann sind die Zwei, genau so ein Verladeteam wie Larissa und ich, die dann genau wie wir - im Auto noch stundenlang jede Verladegeschichte durchkauen und fachsimpeln: Das Verladen ist halt eines unserer Hobbys. In diesem Fall saß Larissa kaum im Auto, als ich sie fragte: "Wie hast Du denn das jetzt gemacht?" Die Lösung war einfach wie genial: Sie hat in den Hänger hinein geschaut, denn so, habe sie es bei mir gelernt: Immer dahin gucken, wo das Pferd hin soll. "Stimmt genau", kann man da nur sagen. Es ist die vierte Verantwortung, die Pat Parelli dem Menschen gibt: "Nutze die natürliche Kraft des Fokus." Allerdings hat Larissa auch gesagt, dass alles, was wir gemacht haben richtig war und es die Summe der verschiedenen von uns angewandten Methoden, die am Ende zum Erfolg geführt haben. Erst viel Zeit geben, um dann mit Fug und Recht sagen zu können: "Du hattest jetzt wirklich Zeit genug, den Job alleine zu machen - wir haben ja nicht den ganzen Tag Zeit." Es gibt eben nicht die Methode, es gibt noch nicht einmal für ein einzelnes Pferd die EINE Methode: Es ist immer Kommunikation und die variiert ja auch bei uns Menschen von Situation zu Situation.
P.S. Ich wollte ja noch aufklären, warum Larissa und ich bei der Einschätzung nach Parelli beide Recht hatten. Wenn ich Right-Brain-Introvert sage und Larissa Left-Brain-Extrovert, dann heißt das nichts weiter, als dass das Pferd bipolar ist (HIER nochmal der Link) und zwischen zwei Pferdepersönlichkeitstypen wechselt. Wenn man die angespannte Körpersprache des RBI erkennt, muss man dem Pferd so lange Zeit geben, bis es wieder denken kann und wenn es dann zum LBE wechselt (die bekanntlich streitsüchtig sind), ist ein völlig anderes Vorgehen sinnvoll, bspw. Ostereier-Suchen nach dem Kalt-Warm-Prinzip. Deswegen kann man jegliche Frage nach dem "Soll ich mehr oder weniger Druck machen?" nur mit "Es kommt drauf an" beantworten und meist weiß unser Bauchgefühl am Allerbesten, was richtig ist.
Zumindest, wenn das Bauchgefühl mit viel Wissen rund ums Pferd gefüttert wurde: Man muss es einfach lernen, damit man eine unschlagbare Intuition erreicht. Am Besten übt man nicht am Hänger sondern mit Stellvertreter-Konflikten, so dass man weiß, wie das Verladen funktioniert.
Ach, als Schlußsatz sei gesagt, dass es uns im Auto wie Schuppen von den Augen fiel: So ein Pferd wie der große Schwarze, hatten wir bis vor Kurzem noch in klein und gescheckt: Larissas Kinderpony Indi war genau derselbe Horsenality-Typ "bipolar LBE und RBI" (was sich beim Horsenality-Fragebogen im Kreis gegenüber liegt) und Larissa hatte für Indi immer genau die richtige Energie - locker-flockig dahergedacht: "Los, geh da rein."

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