Donnerstag, 3. März 2016

Von Kindergartenkriegen, Kündigungen & Kämpfen


Janik war zwar irgendwie zurück in der Entwicklung, aber weil er ansonsten recht pfiffig war und uns der Kinderarzt ja auch beruhigt hatte, dachten wir: Das wird schon. Er hat z.B. immer die Seramis-Kügelchen aus den Blumentöpfen geworfen oder als wir Babykatzen hatten auf dem Bauch liegend (Krabbeln und Laufen konnte er ja nicht) dafür gesorgt, dass die Kätzchen die Wurfkiste nicht verlassen. Natürlich haben wir mit ihm geschimpft, was aber nicht dazu führte, dass er die Kätzchen in Ruhe ließ, sondern nur, dass er schon mal auf Verdacht brüllte, sobald wir um die Ecke kamen.


Kurz bevor Janik drei wurde stand die nächste Vorsorgeuntersuchung an und dabei wurde festgestellt, dass Janik so gut wie gar nichts gesehen hat: Auf einem Auge gerade einmal 20 Prozent Sehvermögen, Hornhautverkrümmung und Dioptrinwerte von 6,0. Natürlich habe ich sofort den beschwichtigenden Kinderarzt gewechselt und mir fiel dann auch mit Schrecken ein, dass meine Schwester einmal gesagt hatte, dass Janik Plattfüsse hat. Somit fuhren wir nicht nur zum Augenarzt, sondern auch zum Orthopäden, in die Kinderklinik und, und, und ... Diagnose: ungeklärte Muskelschwäche. Geklärt ist das bis heute nicht, aber wir haben getan, was wir konnten, um all das nachzuholen, was wir in den ersten drei Jahren an Therapie versäumt hatten: Krankengymnastik, Frühförderung, Augentraining sowie Abkleben des besseren Auges (was für ein Gebrüll) und Ergotherapie.
Es fühlte sich so an, als würde unser Leben nur noch aus Fahrten zu Ärzten und Therapeuten bestehen. Die Kindergartenleitung schickte uns zum Amtsarzt, der gutachterlich bestätigte, dass das Kind von Behinderung bedroht sei und deswegen einen integrativen Kindergartenplatz bekommen sollte. Wir waren so erleichtert, bis sich herausstellte, dass Janik im Kindergarten Nullkommanull Therapie erhielt. Er brauchte aufgrund von Koordinationsproblemen und seiner Muskelschwäche Krankengymnastik und Ergotherapie, der Kindergarten bot aber nur Motopädie und Sprachtherapie auf Rezept an, obwohl Janiks Sprechen völlig in Ordnung war. Dann war es der Kindergartenleitung gelungen, eine Ergotherapeutin ebenfalls für einmal in der Woche in die Einrichtung einzuladen. Die anfängliche Freude darüber wenigstens etwas Unterstützung zu erhalten, wurde schnell getrübt, da die Leiterin sagte, dass die Ergotherapeutin nur Therapie für die Regelkinder anbieten würde (also die GESUNDEN). Unterm Strich war es dann so, dass Janik die Therapie, die er brauchte nach wie vor außerhalb des Kindergartens erhielt. Die Leiterin behauptete steif und fest, dass dies nicht Aufgabe des Kindergartens sei .. es ginge hier lediglich um soziale Integration und für die Therapien seien die Eltern zuständig. Da war sie völlig falsch gewickelt, wie ich später bei der Kindergartenaufsicht in Erfahrung brachte. Der Kindergarten erhielt Geld dafür, dass die Kinder ihre erforderlichen Therapien in der Einrichtung erhalten und die Motopädin müsse sich entsprechend fortbilden bzw. von der auswärtigen Krankengymnastin anleiten lassen.
Die Leiterin argumentierte, wie sie es brauchte. Mal sagte sie Janik sei ja gar nicht richtig behindert, er könne ja laufen und sprechen und dann sagte sie, er würde es eh nicht in die Regelschule schaffen, weil er noch nicht einmal den Stift richtig halten könnte. Letzteres stimmte, aber genau dafür gibt es ja Ergotherapeuten, die Kindern mit Beeinträchtigung genau das beibringen: Motorische Fähigkeiten wie z.B. die Stifthaltung .. aber die Ergotherapeutin kam zwar in die Einrichtung, aber die Leiterin hatte entschieden, dass die behinderten Kinder von ihr nicht behandelt werden durften. Der Landschaftsverband schritt ein und am Ende ist es uns gelungen Janiks Rechte durchzusetzen: Um genau zu sein, drei Monate bevor er eingeschult wurde (und er wurde auf Antrag ein Jahr später eingeschult, denn so konnte er dann doch auf eine Regelschule). In der Zwischenzeit herrschte regelrechter Krieg, worauf der Kindergarten nicht nur Janik sondern auch seiner kleinen Schwester Larissa die Kündigung aussprach, wogegen wir gerichtlich vorgingen: Erfolgreich natürlich. Der Landschaftsverband hat versucht, gütlich zu vermitteln, hatte aber ausgerechnet auf die Verträge mit der Ergotherapeutin keinen Einfluss und verpflichtete die Motopädin, Janik all die therapeutischen Maßnahmen angedeihen zu lassen, die auch Eltern als Nachbereitung vollbringen können. Die Motopädin widerum behauptete, sie würde jede Therapie machen, tat es aber nicht (Janik konnte ja Gott sei Dank immer sprechen, daher weiß ich das). Alles in allem sind wir quasi zwei Jahre lang durch die Hölle gegangen und auch weiterhin nach dem Kindergarten von Therapie zu Therapie gefahren. Denn eins hätte ich einfach nicht ertragen können, dass so ein intelligentes, aufgewecktes Kind in eine Behindertenschule kommt. Janik macht übrigens nächstes Jahr Abitur: Die Mittlere Reife hat er schon mit einem Notendurchschnitt von 1,9 und letztes Jahr hat er bei der Rheinlandtrophy in seiner Leistungsklasse die Disziplin Trail gewonnen. Was in den zehn Jahren dazwischen in Janiks Leben passiert ist, erzähle ich Euch aber auch noch auszugsweise und beginne übermorgen damit - hier erstmal das Video von Janiks Ehrung bei der Rheinlandgala. Er hat sich wirklich "gemacht".


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen